Der rheumatische Fuß

Neben den Händen sind die Füße die Körperregionen, an denen rheumatische Veränderungen am häufigsten auftreten. Dabei sind die Gelenke des Vorfußes wesentlich häufiger betroffen als diejenigen des Rückfußes. Bei bis zu 100 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis sind nach langjähriger Erkrankung die Zehengelenke deformiert. Das obere Sprunggelenk (OSG) und Subtalargelenk sind dabei mit einer Häufigkeit von 30 bis 50 %, die Fußwurzel- und Mittelfußgelenke von 40 bis 60 % und die Metatarsophalangealgelenke in einer Häufigkeit von 80 bis 95 % betroffen. Jedoch haben im letzten Jahrzehnt immer früher eingesetzte, effektive pharmakologische Maßnahmen die Morbidität und das klinische Bild so verändert, dass die rasch destruktiven Verlaufsformen früherer Jahre nicht mehr häufig beobachtet werden.

 

Diagnose/Ursachen

Bei der rheumatischen Fußdestruktion unterscheidet man eine sich einstellende instabile Form „loose-type“, bei der die ligamentäre und kapsuläre Distension im Vordergrund steht, und eine den Knorpel destruierende Form „stiff-type“, bei der es zu einer Zerstörung der Gelenke mit typischem radiologischen Verlauf kommt. Durch das Nachlassen der ligamentären Strukturen („loose-type“) kommt es zu einer Instabilität der Fußgelenke, da sich der Kapselbandapparat lockert. Neben den Gelenken selbst können besonders die Sehnen entzündlich verändert sein. Auch hier entstehen im Verlauf sowohl Lockerungen als auch Rupturen über chronische Sehnenscheidenentzündungen. Die typische rheumatische Fußdeformität ist daher der Pes planovalgus (Knick-Senkfuß) mit Artikulosynovialitis (Gelenkentzündung) des Talonavikulargelenks und Dysfunktion mit Tenosynovialitis (Sehnenscheidenentzündung) der M.-tibialis-posterior-Sehne. Eine Tenosynovialitis in Höhe des Sprunggelenks findet sich in 6,5 % der Fälle. MRT-Untersuchungen zeigten zudem eine häufige Beteiligung der Zehenbeuger-, Peroneal- und der M.-tibialis-anterior-Sehne.

 

Im Zusammenspiel zwischen dem Vor- und dem Rückfuß nimmt das Talonaviculargelenk in der Rheumafußstatik eine Schlüsselstellung ein und ist das am häufigsten betroffene Einzelgelenk des Rückfußes. Die progrediente Destruktion dieses Gelenkes führ beim Rheumatiker zu Verlust des Fußlängsgewölbes. Unabhängig davon oder als Folge dieser Fehlstellung entwickelt sich der Spreizfuß (rheumatische Vorfußdeformität), der mit unterschiedlichen Fehlstellungen der Zehen kombiniert sein kann und zu einer massiven und schmerzhaften Schwielenbildung über den Vorfußballen führt. Die Vorfußdeformität mit Luxation in den Zehengrundgelenken erhöht den Druck auf die Mittelfußköpfchen, die in Richtung Fußsohle gedrückt werden, was dort zur schmerzhaften Bursitis (Schleimbeutelentzündung) führt. Weiterhin wird der plantare (Fußsohle) Fettkörper unter den Mittelfußköpfchen nach vorne gezogen und verliert seinen druckmindernden Schutz. Im Weiteren Verlauf destruieren die Gelenke und bilden mit den entzündlichen Prozessen das Endstadium des rheumatischen Vorfußes. Im lasttragenden Gelenkbereich greift die Synovialitis (Gelenkkapselentzündung) den Knorpel an und führt zu Destruktion und Einbruch der Gelenkflächen. Dadurch und durch die ligamentäre Schwäche kommt es zur Instabilität des ersten Strahles, wobei die Kraft in der Abstoßphase des Gehens gemindert wird. Eine weitere Folge der Systementzündung und ihrer medikamentösen Therapie ist die Minderung mechanischer Belastbarkeit des Knochens durch Osteoporose.

 

Im Bereich der Haut bedingen die systemisch entzündlichen Erkrankungen spezielle Veränderungen. Durch eine begleitende Vaskulitis (Gefäßentzündung) kann die Haut geschädigt sein. Trophische Hautstörungen finden sich auch als Folge der Kortikoidtherapie oder vorangegangener Eingriffe. Sie bedingen ein Risiko für lokale Infekte durch z. B. einen Schuhkonflikt. Bereits im Frühstadium bemerken die Patienten eine Schwellung im Vorfuß und Spannungsgefühl im Schuhwerk, die gelegentlich von Hitzegefühlen begleitet sein können. Der vom Fußrücken ausgelöste Druckschmerz über den Zehengrundgelenken sowie der horizontale Kompressionsschmerz der Zehengelenke (Gaensslen-Test) lassen die Synovitis in der Frühphase erkennen. Eine positive Blutlabordiagnostik mit Nachweis von Rheumafaktoren und CCP-Antikörpern erhärten die Diagnose. Die klinische Untersuchung wird von der Basis Röntgendiagnostik

(Vierer-Serie = Fuß und Sprunggelenke in 2 Ebenen im Stand, Salzmann-Aufnahme) und bei speziellen Fragestellungen durch eine MRT- und CT-Diagnostik unterstützt.

 

Therapie

Der rheumatische Fuß wird oft zum entscheidend limitierenden Faktor für die Mobilität des Rheumapatienten. Wichtiges Kriterium ist der Erhalt der Gehfähigkeit, sodass die frühzeitige und stadiengerechte differenzierte Behandlung im Vordergrund steht.

 

Konservativ

Die konservative Therapie des rheumatischen Fußes beruht im Wesentlichen auf drei Säulen:

  • Krankengymnastik

Die krankengymnastische Übungsbehandlung beinhaltet die Kräftigung der Peronealsehnen, des M. tibialis posterior und der Fußstrecker. Des Weiteren sollen durch die physiotherapeutischen Verfahren Kontrakturen vermieden werden.

  • Injektionstherapie

Bei den Injektionstherapien stehen insbesondere im Frühstadium die Infiltration mit Cortison und die chemische Synovektomie (Abtragung der Gelenkinnenhaut) bzw. Radiosynoviorthese (Wiederherstellung der Gelenkschleimhaut durch radioaktive Strahlung) zur Verfügung. Aufgrund der mittlerweile zur Verfügung stehenden effektiven medikamentösen Therapie werden diese Verfahren jedoch eher selten angewandt.  

  • Orthopädieschuhtechnische Versorgung

Die Einlagenversorgung wird eingesetzt, die Fußstatik aufrechtzuerhalten und über Stützung und Bettung zur Schmerzreduktion beizutragen. Sinn und zweck der orthopädieschuhtechnischen Versorgung ist es, bei einer flexiblen Deformität eine korrigierende Wirkung auf den Fuß auszuüben. Eine einlagen- und orthopädieschuhtechnische Versorgung ist nicht geeignet, die Entwicklung einer rheumatischen Fußfehlstellung zu verhindern oder eine dauerhafte Korrektur der Fehlstellung zu bewirken. Dennoch stabilisiert die orthopädieschuhtechnische Versorgung den Fuß und verbessert die Gehfähigkeit.

 

Stadienabhängig werden Einlagen in Schalen- oder Halbschalenform mit retrokapitaler Pelotte, Weichbettungseinlagen, orthopädische Schuhzurichtungen mit Hohllegung der Fersenkappe (bei Achillodynie), Versteifung des Konfektionsschuhes im Sohlenbereich, Abrollhilfen mit Pufferabsatz und der orthopädische Maßschuh mit ggf. Stabilisierung des oberen Sprunggelenks eingesetzt.

 

Operativ

Im Hinblick auf eine operative Intervention ist zu berücksichtigen, dass unter der systemischen Erkrankung in Kombination mit der medikamentösen Therapie ein dreifach erhöhtes Risiko für postoperative Infektionen besteht. Zudem führt die im Rahmen der systemischen Grunderkrankung bedingte entzündliche Hyperämie (übermäßiges Blutangebot) zur Osteopenie (Minderung der Knochendichte) und Osteoporose (Knochenschwund). Die knochenkatabole Medikation mit Kortikoiden hat zudem eine allgemeine Osteoporose zur Folge, sodass bei operativen Verfahren von einer doppelt so langen Heilungsphase auszugehen ist.

 

Der rheumatische Fuß sollte möglichst frühzeitig operativ versorgt werden, da die präventive, gelenkerhaltende Versorgung oftmals wichtiger ist als eine aufwendige Rekonstruktion. Dabei liegt das Augenmerk der operativen Therapie auf dem Erhalt der Gehfähigkeit. Bei der operativen Versorgung gibt es zahlreiche Verfahren, die sich bei rheumatisch veränderten Füßen bewährt haben. Es gilt, für jeden Patienten individuell die richtigen Maßnahmen zu bestimmen, ohne Anspruch auf definitive Heilung des Grundleidens.

  • Synovektomie

In frühen Stadien können im Rück- und Vorfußbereich präventive Synovektomien durchgeführt werden. Dabei ist die Synovektomie auf persistierende Synovialitiden über 3‒6 Monate und ein frühes Krankheitsstadium ohne knöcherne Erosionen beschränkt. Die Synovektomie wird arthroskopisch oder durch Arthrotomie des Gelenks als offene Synovektomie durchgeführt. Um die Radikalität zu erhöhen, wird an die operative Behandlung in einem zeitlichen Abstand von 6 Wochen eine Radiosynoviorthese angeschlossen. Diese Verfahren sind mittlerweile aufgrund der zur Verfügung stehenden effektiven medikamentösen Therapie in den Hintergrund getreten.

  • Rekonstruktive Versorgung

Im Vorfußbereich werden zur Korrektur der Zehendeformitäten im frühen Stadium eine dorsale Weichteilentflechtung mit Synovektomie, Strecksehnenverlängerung, Kapselbandrelease und die korrigierende Metatarsalosteotomie nach Weil vorgenommen. Im fortgeschrittenen Stadium wird die Resektionsarthroplastik der MTP-Gelenke II‒V von plantar nach Tillmann mit Ausschneiden der plantaren Schwielen (Demodese) vorgenommen und mit der Arthrodese des Großzehengrundgelenkes kombiniert. Dadurch kann ein schmerzfreies Gehen ermöglicht werden.

 

Im Mittelfuß- und Rückfußbereich werden zahlreiche gelenkerhaltende und gelenkversteifende Verfahren angewandt, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Grundsätzlich kann jedoch erwähnt werden, dass bei starken Knochendestruktionen und Achsabweichungen die Versteifung (Arthrodese) die einzige Möglichkeit ist, eine Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung zu erzielen. Angewandt werden hier speziell für die Fußchirurgie entwickelte kanülierte Schrauben, Platten oder Nägel.

 

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung der komplexen Vorfußkorrektur erfolgt für mindestens 6-8 Wochen im Vorfußentlastungsschuh. Sind die Wunden ausgeheilt, wird eine Einlagenversorgung mit rückversetzter Mittelfußpelotte rezeptiert, um den Vorfußballen aus der Tragbelastung zu nehmen. Bei Eingriffen am Mittel- und Rückfuß wird eine Entlastung an einer Unterschenkelorthese für 10‒12 Wochen erforderlich.

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© Emrah Esmer